„Gut Ding will Weile haben“ Diese alte Weisheit will in Zeiten von dauerpiepsenden Online-Terminkalendern und Super-Express-24/7-über-Nacht-Gratis-Schnell-Lieferservice heutzutage kaum jemand mehr hören. Doch was im Online-Handel für spitze Feudenschreie sorgt, kann auf der Baustelle schnell zum Alptraum werden.
Bauzeitenpläne werden immer kürzer getaktet, Schnelligkeit ist Trumpf. Neubauten sollen in 6 Monaten bezugsfertig sein, in Bauplänen wird die Ausführung der Fassadenputzarbeiten auf Anfang Januar terminiert. Türen sollen lackiert werden, während im Nachbarzimmer der Boden abgefräst wird…..
In Fernsehshows(Betonung hier auf „Show“….) wird den Menschen suggeriert, man müsse nur kurz ins Wellness Hotel nebenan ziehen, während eine Herde dauergutgelaunter Handwerker in 7 Tagen mal eben den Altbau entkernt, das Dach neu deckt, die Estriche erneuert, die Wände neu verputzt, Böden legt, die Bäder neu fliest, alle Flächen streicht um dann pünktlich mitsamt der euphorisierten Nachbarschaft auf die Rückkehr der Jedi glücklichen Bewohner zu warten.
Doch zurück von Absurdistan in die reale Welt. Ein einfaches Beispiel: Sie wollen Ihr Wohnzimmer mit einer hochwertigen Tapete neu tapezieren lassen. Montag und Dienstag soll der Maler tapezieren, Mittwoch kommen die Möbel. Alles soweit geplant und besprochen. Doch am Wochenende fällt Ihnen auf, das für die neue Schrandwandbeleuchtung noch Steckdosen zusätzlich notwendig sind. Schnell noch paar Schlitze stemmen, Kabel einlegen, alles gut ?
Frisch verputzter Installationsschlitz
Das Erwachen kommt dann am Montagmorgen. Die neuen, ca. 5 cm tiefen Schlitze müssen natürlich erst einmal mit Gipsspachtel gefüllt werden. Die Trocknungszeit für den Spachtel in dieser Schichtdicke kann, je nach Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit, durchaus 1-2 Tage betragen. Dabei verliert die Spachtelmasse Volumen und fällt noch mehrere Millimeter ein. Das bedeutet nach Trocknung müssen die Schlitze noch einmal mit einer feineren Wandspachtelmasse überarbeitet werden. Trocknungzeit mehrere Stunden je nach Schichtdicke. Dann erst kann die Schadstelle geschliffen und grundiert werden. Erst nachdem auch die Grundierung ordnungsgemäß trocken ist – auch hier mehrer Stunden Wartezeit – kann mit der Tapezierung der Wand begonnen werden.
Versuche die Trocknungszeiten zu verkürzen, indem man die Oberfläche mit einem Heizlüfter schnelltrocknet, funktionieren – wenn überhaupt – nur bei dünnen Schichtdicken. Ignoriert man die Physik, mündet dies meistens in Schadensfällen durch nachziehenes Wasser aus der Tiefe der Spachtelung.
Das Ergebnis: Der Zeitplan kann nicht gehalten werden, der Ärger ist vorprogrammiert, die Physik lässt sich im Endeffekt nicht austricksen.
Dies war nur ein kleines Beispiel. Sie können sich sicher vorstellen, das bei größeren Projekten, bei der Verarbeitung von zentnerweise Putz und Mörtel der Effekt
Nach den Entfernen der Fliesen fällt der gesamte Oberputz ab
noch viel stärker ist. Gerade bei der Sanierung von Altbauten treten solche notwendigen Verputz- u. Spachtelarbeiten oft erst im Laufe der Ausführung zutage, wenn die alten Tapeten und Beläge entfernt sind.
Fazit:
Vergessen Sie bei der Planung Ihrer Sanierungsprojekte nicht, die Trockenzeiten einzukalkulieren! Niemand besitzt einen Rötgenblick. Es kommt regelmäßig vor, das kurzfristig unvorhersehbare Spachtelarbeiten auftreten, die eine zusätzliche Trocknungsphase notwendig machen. Selbst wenn es sich nur um kleinere Schlitze wie im obigen Beispiel handelt, so wird doch die Fertigstellung des betroffenen Bauteils letztendlich stark verzögert.
Lassen Sie sich bei zeitkritischen Renovierungen im Vorfeld von einem Fachmann vor Ort beraten. Planen Sie wenn möglich zusätzlich 1-2 Karenztage ein. Allzu sportliche Zeitversprechen (“ Der neue Putz ist in 1 Tag trocken…“) sollten Sie kritisch hinterfragen. Beziehen Sie die Gewerke, welche die Endarbeiten ausführen sollen( z.B. Maler, Bodenleger) frühzeitig in Ihre Planung ein. Der beste Tapezierer kann nicht arbeiten wenn die Wand noch zuviel Restfeuchte enthält. In diesem Sinne wünschen wir gutes Gelingen und vielleicht ein wenig mehr Gelassenheit in unserer Zeit.